Beitrag im Rahmen des Seminars:
Biologische Konzepte in
der Pädagogik Universität Bern, SS 1996
I
Wenn wir sie beim Wort
nehmen, so
muss es ein
schwieriges Kind gewesen sein: Draussen wenn immer möglich oder auch
wenn keine Gelegenheit dazu war, wandernd durch das Berner Oberland,
auf Bäume kletternd, ihre Kleider zerreissend… Die kleine Gertrud Woker
war, wie sie es selber auszudrucken pflegte, ein ' Naturkind ',
ein Mädchen, dass mit einem Überschuss an Energie beglückt, und daher
unruhig, eben unfügsam war. (1)
Wenn also jene ' traurigen Zeit ' da war, dass sie zur
Schule gehen musste, lernte sie dort einsehen ' wie es den tieren
in Gefangenschaft zu mut sein muss '. Das ' Unkraut '
ihrer Klasse, ertrug sie denn auch kaum dieses ' [] barbarische [n]
Disziplinarsystem [] , das man
[...] selbst
bei uns, dem Lande Pestalozzi's, 'Pädagogik' genannt hat '. (2) Und wurde sie später
trotzdem ein fleissiges Schulmädchen schwärmerischer Natur, wirklich
'normal' wurde die Gertrud Woker nie. So verweigerte die Tochter des
Berner Professors für Kirchengeschichte sich mit vierzehn, in der von
ihm mitbegründete christkatholische Gemeinde aufgenommen zu werden und
setzte sie sich ein wenig später ernsthaften Versuchen erweiterter
Mädchenbildung Erfolgreich zur Wehr. Beweise wollte sie haben, klare,
unwiderlegbare Beweise nicht nur für die Fleischwerdung des Brotes aber
auch für die Brotwerdung des Fleisches. Ab 1898 studierte Gertrud Woker
(1878-1968) daher Chemie, Physik, Botanik, Mineralogie und Toxikologie;
daher auch setzte sie sich ausführlich mit den Fragen der Frau in der
Gesellschaft auseinander. (3)
Dass die kleine Strasse,
die in
Bern das
Medizinhistorisches Institut über den Gemeinschaftshörsal der
Universität schliesslich mit dem Pädagogischen Institut verbindet, dass
diese Strasse ‘ Gertrud Wokerstrasse ' getauft wurde, könnte
ja symbolisch gelesen werden. Zeitlebens grenzte Frau Woker sich
dennoch derb von der Pädagogik ab:
[D] as Wort
'Pädagogik'
hatte [] einen schlechten
Klang für mich, selbst dann, als ich selber in dem Fall kam, zu
unterrichten. (4)
Wenn aber Pädagogik im
engeren
Sinne, als der Technik
des schulischen Unterrichtes für sie kein Thema war, so war Gertrud
Woker -unverheiratet, kinderlos- trotzdem eine Erzieherin von Herzen,
Sozialistin, Feministin, Aufklärerin im Geiste der Freiheit, der
Gleichheit und der Geschwisterschaft. Und was hätten wir sonst davon zu
halten, wenn wir dem gleichen Aufsatz, dem wir letzteres Zitat
entnehmen, ein vehementes Plädoyer für eine 'kindgerechte' Erziehung
entnehmen können, fast, so nicht ganz im Stil Ellen Keys?
Es kann sich ja bei
der
richtig verstandenen
Erziehung nur um eine Entwicklung vorhandener Anlagen unter möglichst
günstigen Entwicklungsbedingungen handeln. In das Kind etwas Fremdes
hineinlegen wollen, z.B. ohne dessen eigene Synthese etwas vom
Gedächtnissen des Lehrers oder des letzteren Vorstellungen über Welt
und Menschen usw. ist nicht Erziehung sondern Dressur und ihr Resultat
sind nicht Menschen, im besten Sinne des Wortes, sondern nach einem
gewissen vorgeschriebenen Zuschnitt innerlich geformte Organismen mit
bestimmten maschinellen Fähigkeiten, bei denen der Untertanenverstand
die Rolle der Seele überwinnt. Es sind Wesen ohne Persönlichkeit und
individuelles Gepräge, wie wir sie als Produkte der vom Geist der
Reserveoffiziere und ähnlichen diktierten Schulschablonen zur genüge
kennen. (5)
II.
Nach einem dreijährigen
Aufenthalt in Berlin, wo unsere
heimliche Reformpädagogin sich bis an die vorderste Front ihrer
Spezialismus -die Biochemie- durchgekämpft hatte, kehrte Gertrud Woker
1908 nach Bern zurück. In Berlin hatte sie sich voll engagiert in der
sogenannten links- oder radikal-bürgerlichen deutschen Frauenbewegung
um Minna Cauer, Lida Gustava Heymann, Frieda Perlen und Anita Augspurg.(6) Back Home
widmete sie ihre Zeit dem enttäuschenden Lehrauftrag für die Geschichte
der Naturwissenschaften(7),
führte privat ihre biochemischen Forschungen, auch aber ihre politische
Aktivitäten weiter. Wenigstens eine Weile fand letzteres ihr Auslass im
Rahmen des schlicht obskuren ' Internationalen Ordens für Ethik
und Cultur ' (ab 1909: 'Kultur'), eine freimaurer-ähnliche
Organisation zur Verbreitung freidenkerische, d.h. vor allem auf
naturwissenschaftlichen Erkenntnisse aufbauende Prinzipien. Sich dazu
verpflichtend die Gedanken, etwa, der Deutschen- bzw .
der Schweizerischen Gesellschaft für ethische Kultur , der Monistenbund
oder ähnliche Moralistenclubs ‘ auch
zum Gefühl des Volkes
und nicht nur zu seinem Verstand [zu] bringen', wurde
Frau Woker 1908 Vorsteherin diesen Ordens.(8)
Über die Relevanz des auf
Hinweisen des welschschweizer Weltschulmeisters , Ameisen-
und
Gehirnforscher, Sozialist
und Eugeniker Auguste Forel(9)
gegründeten Ordens, brauchen wir uns keine Illusionen zu machen. Wie
viele Berühmtheiten er und seine MitarbeiterInnen auch baten, dem Orden
beizutreten und welche es auch immer waren die gerne ihren papierenes
Engagement zeigten, faktisch blieb dieser Orden ein gesellschaftlich
marginales, ausschliesslich breisgauer und deutschschweizer Geschehen.
Historisch interessant ist das Gruppchen als Erscheinung, als ein für
das letzte fin-de-siècle typischer Zusammenschuss von
Menschen auf Basis einer genauso typische Weltanschauung.(10) Aufgefasst,
aber, als ein Knotenpunkt von Ideen und Tendenzen, von Menschen und
Ideologien wäre ein solcher Haufen trotzdem zu betrachten als ein
ideenhistorisch-, in diesem bestimmten Fall auch als pädagogisch
relevantes Objekt. Denn weshalb reiste Ellen Key 1910 zweimal in die
Schweiz, um sich von Forel persönlich über den Orden informieren zu
lassen?(11)
Welche Bedeutung hatte das Weltbild Forels für sonstige
Reformpädagogen, wie etwa Paul Geheeb, Ludwig Gurlitt oder die
Holländer Van Rees und Van Mierop, Leute die sich, wie auch Key, in dem
Orden einweihen liessen?(12)
War es tatsächlich das Zusammendenken von elitärem Sozialismus,
Feminismus und Biologismus, das Sexualreformerinnen wie Margarethe
Faas, Helene Stöcker oder Nelly Roussel, freilich auch Mitglieder des
Ordens, so angezogen hat?(13)
Haben namenhafte Wissenschaftler wie Sigmund Freud, Ernst Mach, Cesare
Lombroso und Havelock Ellis, die zumindest in den Orden interessiert
waren, alle auch das stringente eugenische Programm dessen
unterschrieben?(14)
Und Bruder Lunatscharsky und Bruder Masaryk schliesslich, später erster
Erziehungs-minister der UdSSR bzw. Präsident der Tschechoslowakei,
haben die solche Programme im eigenen Land vielleicht auch in die
Praxis umzusetzen versucht? Alle diese Fragen zu beantworden wurde den
Rahmen dieses Vortrages sprengen. Sie bloss aufzuwerfen reicht aber aus
um die Problemlage dessen zu pointieren - die historische Verknüpfung,
nämlich, reformpädagogischer und eugenischer Positionen, das freie
Wachsen und die strenge Zucht des Menschen, quasi harmonisiert und
legitimiert, nicht zuletzt auch im progressiven Lager, durch
pseudo-wissenschaftliche Weltanschauungen.
III.
Infolge Auguste Comtes
sog. Gesetz
der
wissenschaftlichen Entwicklun g sollte diejenige Wissenschaft,
als deren Urvater er gilt, nämlich die Soziologie, sich zwar zeitlich
und paradigmatisch nach, nicht aber aus der Biologie heraus entwickeln.
Durch die Erfolge aber, die die Biologen im Namen Comtes im 19. Jh. auf
ihre Konten buchten, waren sie aber allzu schnell imstande, klare
Antworten zu geben auf Fragen, die die Soziologen noch kaum Aufwerfen
konnten. Dass die Soziologen bald den Biologen in ihren Überlegungen
folgten(15) und
Comte damit durch Comte falsifiziert wurde ist natürliche ein Witz,
eine der grausamste Witze sogar, aus der Geschichte der modernen
Wissenschaft.
Wenn Charles Darwin in
1859 die
Menschen vorerst
bewusst nicht miteinbezog in seine bis jetzt gültige Variante der
Evolutionstheorie, so waren rasch anderen da, um diese Lücke
aufzufüllen und ihre Ansichten auf andere als die Biowissenschaften zu
übertragen. Zum Teil wurden dabei ältere Evolutionsvorstellungen
miteinbezogen, im allgemeinen aber wurden die Hypothesen Darwins in
Dogmata umgestaltet und schlicht bis ins Blaue hinein zur Geltung
gedacht.(16) In
den Hände mehr oder weniger bekannter Adepten verkam Darwins spezielle,
deskriptive Theorie der Entwicklung der Tierarten zu einer
allumfassende und stark normative Theorie der Entwicklung überhaupt,
damit mensch die Überlegenheit der rosaroten Mensch über alle andere
Lebewesen definitiv belegt zu haben meinte.(17) Mit solchen ‘Darwinismen' konnten
sich die gebildeten Schichten in der 2. hälfte des 19. Jhts. säkulare
und wissenschaftlich ‘gesicherte' Theorien zur Erklärung und
Bestätigung ihrer liberal-bürgerlichen Welt beschaffen.(18) Genau diese Welt aber war
in Umbruch, und auch die Einstellungen dazu veränderten sich rasch.
Überdies hatten die Grenzen des wissenschaftlich Möglichen sich
eigentlich schon abgezeichnet und drohte der Positivismus als
Wissenschaftsverständnis und -Verfahren von innen aus heraus seine
integrative Kraft zu verlieren.
Über die Darwinismen wäre
dieses
bürgerliche-liberale
Weltbild bestimmt noch eine Weile aufrecht zu erhalten, sei es, so der
These, dass in diesen allumfassenden Erklärungs- bzw. Rettungsversuchen
Gott oder irgendeine andere dynamische Kraft andererseites -d.h.
konträr zur liberal-aufgeklärten Selbsverständis- als deus ex
machina herbeigeführt werden müsste.(19)
Für den Zoologen Ernst
Haeckel
(1837-1919), z.Z. einer
der bekanntesten und weitaus einflüssreichsten Vertretern eines
Darwinismus, war dieses dynamische Alpha und Omega einfach Natur .
In seiner sog. psycho-monistischen Weltauffassung gab es
ausschliesslich Entwicklung , Evolution von Materie in und
durch ein kohärentes und damit letztendlich Erkennbares Weltall, das Natur
hiess aber manchmal auch Gott genannt wurde.(20) Dass alles
Lebendige darin
schliesslich aus den Seele von Kristallen evolutioniert sei, ein
solches Postulat konnte oder wollte mensch einem führenden
Naturforscher im Europäischen Raum nicht übel nehmen, hatte er doch als
erster die Einsichten Darwins auf den Mensch übertragen und in ein
überzeugendes Entwicklungsgeset z eingebunden. Haeckels
These, dass die Entwicklung des Individuums die Entwicklung der
Menschlichen Gattung schlechthin stets wiederholt, diese
berühmt-berüchtigte Gleichsetzung von Ontogenese und Phylogenese wurde
Gemeingut im Denken, in der Sprache des ausgehenden 19. und anfangenden
20. Jahrhunderts, und blieb das bis in den 20. jahren.(21) Die meisten der
TheoretikerInnen der sog. reformpädagogischen Welle des fin de
siecles haben dieses Theorem gekannt, akzeptiert, und in ihre
Überlegungen darauf Rücksicht genommen. Nebst in Theorien allerart über
gestufte, kindgemässe Lernvorgänge im erzieherischen Bereich hat
Haeckels Entwicklungslehre sich zB. auch durchgesetzt im Geschichts-
und Religionsunterricht, das weltweit gemäss sogenannten Kulturstufenplänen
organisiert wurde. In der heutigen Zeit
kennen wir solches noch
aus den Waldorffschulen.(22)
Ungleich Steiner, ein begeisterter
Anhänger der haeckelschen
Weltanschauung, gründete der Ernst selber ja keine Schulen. 1906 wurde
von anderen aber eine Haeckelsche Bewegung in die Welt gesetzt, der
Monismus, ‘ zur Verbreitun' ' so hiess es ‘ einer
einheitlichen Weltauffassung '. Die von der Monisten geförderten
Einheit war nicht nur die theoretische Einheit von Stoff und Geist, es
sollte auch die lebendige Einheit von Erkenntnis und Wollen, die
Synthese von Theorie und von Praxis sein.(23) Schon 1876 hätte man bei
Haeckel laber esen können, wie eine monistische Praxis ungefähr
aussehen könnte, und schliesslich auch ausgesehen hat:
Durch die
unterschiedslose
Vernichtung aller
unverbesserlichen Kriminellen würde nicht nur der Kampf uns Dasein
unter den besseren Teilen der Menschheit leichter gemacht werden,
sondern es würde auch ein vorteilhafter künstlicher Ausleseprozess in
die Praxis umgesetzt werden, da die Möglichkeit, die schädlichen
Qualitäten weiterzugeben, diesen entarteten Aussenseitern genommen
wird. (24)
Mit dieser Aussage machte
Antipapst Ernst sich zwar zu
einem der ersten Befürwortern der Eugenik, die aktive Unterstützung,
quasi, des ‘natürlichen' Ausleseprozesses, er war bestimmt nicht der
einzige, oder eben der radikalste. Die 1883 von Francis Galton
gegründtete Eugenic Society -der schliesslich auch von
Galtons Neffe Charles Darwin Vorschub geleistet worden war- konnte auch
ohne Haeckel und dessen Monisten weltweit florieren.(25) Vor allem nachdem der
Lamarckismus, der Glaube an die Vererbung erworbener Fähigkeiten, 1894
von August Weissmann endgültig falsifiert wurde,(26) die Kluft zwischen Kultur
und Körper nach Darwin also noch einmal verschmälert wurde, konnten
eugenische oder rassenhygienische Gedanken auf einen breiten
Unterstützung in Gebildeten Kreisen Europas und Amerikas rechnen. Denn
wenn es wirklich so war, wie die Wissenschaftler im Namen Darwins
'entdeckt' hatten, dass Schwachsinn, Kriminalität, Alkoholismus,
Prostitution, Onanie und sonstige moralische Defekte ‘nur' vererbaren
Krankheiten waren, dann war Sterilisation oder auch Euthanasie
einzelner Entarteter letzten Endes mehr als gerechtfertigt, ein
Beitrag, nämlich, zur Höherentwicklung der Gesellschaft und der
Menschlichen Gattung schlechthin.
Haeckel, nochmals, ist
für dies
alles nicht hauptlich
Verantwortlich zu machen. Auch ohne ihn hätte es eine biologisch
‘gesicherte' Soziologie gegeben, die die Normen und Werte ihrer Kunden,
ihre Ängste und Wünsche internalisiert und auf andere projiziert,
schliesslich in grauenhafte Wahrheiten dogmatisiert hat. Für eine
Gesellschaft der angeblich ‘entarteten' brauchte mensch damals einfach
eine Wissenschaft der Entartung, die Wissen produzieren könnte für eine
prophylaktische Praxis. Was dem konservativen bis erzreaktionären Ernst
Haeckel in diesem Komplex von Wissenschaft und sozialen Bewegungen aber
seine eigenartigen Stellenwert verleiht, ist der direkte und ungemein
grosse Einfluss, den er in eher progressiven, ja, in sogenannt 'linken'
Kreisen ausgeübt hat. Rassenhygienische bzw. eugenische Gedanken
konnten also auch dort verbreitet werden, wo wir sie rein intiutiv
nicht erwartet hatten, in Sozialistischen und Feministischen, ja auch
in progressiv-reformpädagogischen Kreisen.
IV.
Am 5. januar 1910 fragte
Alfred
Knapp, Apotheker zu
Bern und Sekretär des Internationalen Ordens für Ethik und Kultur
Bruder Forel, ob es kein Idee wäre, die sog. Ferrer-Bewegung
in den Orden zu integrieren, und dafür in Deutschland und der
deutschsprachigen Schweiz Werbung zu machen.(27) Forel, der ja grundsätzlich
alles unterstützte, was international war oder sein möchte, stimmte zu,
sei es, dass der IOEK und der Ferrer-Bewegung formal getrennt bleiben
sollten. In den Juli-Ausgabe des deutschschweizer Freidenkers
treffen wir darum eine Anzeige an, in deren Alfred Knapp die LeserInnen
dieses Blattes aufruft, Mitglied zu werden in der ' Internationalen
Liga für die Rationelle Erziehung der Jugend [] ein
selbständiger, vom Orden für Ethik und Kultur getrennter Verein .'(28) Dieser
deutschsprachiger Zweig sollte, so Knapp, nicht nur den Freimaurern
gegenüber, sondern auch gegenüber dem Internationalen Ferrer-Verein
ihre Autonomie bewahren müssen. Die Ziele, die die rationalistischen
Erzieher deutscher Zunge nachzustreben pflegten waren trotzdem etwa die
gleiche, wie die ihrer Genossen in Paris, New York, Amsterdam, etc.
Aber nur etwa:
Durch eine
zielbewusste
Propaganda unter den
breiten Massen soll im Volk selbst das interesse für das Schulproblem
und die gesamten pädagogischen Fragen geweckt und dabei jeder
Verquikung mit politischer Agitation vermieden werden. [] Eine
wissenschaftliche, vernunftgemässe Grundlage der Jugenderziehung wird
gefordert, ferner moralische Erziehung, beruhend auf dem Grundsatz
gegenseitiger Verantwortlichkeit. (29)
Die Geschichsschreibung
der
Ferrer-Bewegung, wie die
bis jetzt vorliegt, ist fast ausnahmslos eine politische und daher
wenig distanzierte Historiographie.(30)
Denn Francisco Ferrer y Guardias 1902 in Barcelona gegründete Escuela
Moderna war in erster Linie ein explizit antiklerikales, ein
weltliches, stark auf natur-wissenschaftliche Erkenntnisse orientiertes
Volksschulexperiment, das in zweiter Linie, aber nicht weniger
explizit, einen substantiellen Beitrag an den revolutionären Kampf zur
Befreiung der proletarischen Massen liefern möchte. Erst in dritter
Instanz war Ferrers Schule reformpädagogisch, d.h. theoretisch der
vollständigen Entwicklung des einzelnen Kindes zugetan, gleichfalls
rhetorisch mit Grössen wie Arbeit und Natur
streuend und dabei methodisch-didaktisch halbwegs innovativ
hervorgehend.(31)
Was aber auch immer
Ferrers
persönlichen Engagement
gewesen sein mag, es geht nicht an dies auf die ab 1908 wachsende
Ferrer-Bewegung als ganzes zu übertragen. Schauen wir uns die Namen der
Leute an, die im Vorstand seines Vereins sassen, die Beiträge die im
Vereinsblatt l'Ecole Rénovée erschienen, dann ist hinter
dem pädagogischen Konsens die metatheoretische Meinungsvielfalt, ich
wäre geneigt zu sagen, der Synkretismus innerhalb der Ferrer-Bewegung
mehr als auffällig. Denn nebst Ferrer, der den von der Kirchen
befreiten, den ‘positiven' Unterricht feierte, war auch Domela
Nieuwenhuis da, der holländischen Pfarrer der Anarchist und
selbsternannter Jesus wurde, um die Entfeselung des individuums in
Namen Goethes, Rousseaus und schliesslich auch Ellen Keys zu fördern.(32)
Selbstverständlich war Ernst Haeckel im Verein engagiert, sei es nur
auf Papier, gleich aber wie der russischen Anarchist Kropotkin,
Verfasser einer biologischen Theorie gegen den
darwinistischen Biologismus.(33) Anarchisten, Freiheitskämpfer,
Schulkritiker, wie etwa der schweizer Antipädagoge Henri Roorda van
Eysinga, (34)
fanden sich innerhalb der Ferrer-Bewegung zurecht neben Positivisten
und Darwinisten dogmatischer Art, wie Guiseppe Sergi, der Lehrer
Montessoris,(35)
oder Versuchten beide Ansätze, wie Paul Robin und Ferrer selber, über
eugenische Annahmen gedankenlich zu kombinieren.(36)
Die Verhaftung und
folgliche
Hinrichtung Ferrers im
Spätsommer 1909 löste einen weltweiten Protestwellen aus, gleichsam von
Revolutionären und Sozialdemokraten, wie auch von progressiven
Liberalen getragen. Im Zog dieser Welle wurden weltweit Ferrer-Schulen
gegründet, revolutionaire Sonntagsschulen, wie zB. in Amsterdam und in
Zürich(37),
oder gleichfalls politisch orientierte Reformschulen umfassender Art,
wie etwa die berühmten Ferrer-Schulen von Lausanne und New York.(38) Hauptsächlich
reformpädagogisch motivierte und eigentlich nur halbwegs progressive
BürgerInnen setzten ihren Ideale aber, wie zB. in Antwerp, auch
unter den Fahnen Ferrers in der Praxis um.(39) Wenn also überhaupt etwas
Einheitliches zu entdecken wäre an den weltweit etwa 70 Ferrer-schulen,
dan wäre dass nicht sosehr, wie oft behauptet, der politische
Hintergrund dieser Versuche, sondern vor allem ihre weltliche,
naturwissenschaftliche, ja, ihre darwinistisch-medizinische bzw.
eugenische Ausrichtung. Letzten Endes wurden auch die Ferrer-Schulen
die sich am meisten der Revolution verpflichtet fühlten, wie etwa der
in Lausanne, von Medizinern in die Welt gesetzt.(40)
Psychiater Forel und
Apotheker
Knapp grenzten sich, wie
wir soeben gehört haben, gleichsam explizit vom Politischen in der
Ferrer-Bewegung ab. In der moderne Schulbewegung war für
die beide schweizer Reformer das Positive, das Naturwissenschaftliche
deutlich vordergründlich. Und wenn auch die Moralerziehung von Knapp
mit Namen genannt wurde, die Erziehung zur Gegenseitigkeit, so müssen
wir uns realisieren dass der Altruismus, der soziale Geist
zu dem erzogen werden sollte bei ihm wie bei Forel und bei vielen ihrer
Zeitgenossen direkt aus der Biologie heraus abgeleitet werden könnte.(41) Wie schon
postuliert, hatte mensch dazu über Geist oder ähnliches
eine Art Dynamik hineinzutragen, eine Grösse die gleichermassen eine
Teleologie des Natürlichen und die Überlegenheit des Mensen in diesem
Geschehen belegen sollte. Syndikalist Ferrer hatte es sich
diesbezüglich einfach machen können: Dynamik, das war ja der
Fortschritt, oder die Revolution schlechthin. Für schweizer Pazifisten
gab es aber diese Option nicht. Alfred Knapp, der im Rahmen des Ordens
so gerne über Kinderschutz und Vasektomie referierte, sah die
Notwendigkeit einer kindgerechten Erziehung ein, hielt auch eine
materialistische Grundlage im Sinne Ferrers für richtig, musste Revolution
letztendlich aber durch Kunst
und Das Mysterium
ersetzen.
Der allzu
rationalistische
Zug des Ganzen, den man
auch richtig erkannt hat, wird im laufe der Zeiten und mit zunehmender
Erfahrung, besonders aber auch durch allfällige rege Beteiligung der
Künstlerwelt von selbst schwinden. Aus der inniger Verschmelzung klarer
Verstandeserkenntnis mit den tief in der Menschenseelen begründeten
Neigungen zum Mystischen [] wird ein Mensch herauswachsen,
für den wir vielleicht noch nicht einmal ein bezeichnendes Wort
gefunden haben.
V.
Zwischen der schweizer
Psychiater
Forel, der 1893 als
erste in der Welt dazu überging, ein ‘moralisch defektes' Mädchen zu
sterilisieren,(42)
und den Deutschen Pflegerinnen, die ab 1934 geistig oder körperlich
behinderte Kinder eine tödliche Injektion zudienten, gibt es zwar eine
zeitliche und vielleicht noch eine qualitative, kaum aber ein
wesentliches Unterschied. Hitlers Endlösung war, so Zygmunt
Baumann, kein ‘einzigartiger Unfall' oder eine ‘Entgleisung der
Vernunft', sondern gerade auch ein Auswuchs des aufgeklärten Denkens,
der allergrausamste, aber an und für sich konsequente Versuch, das
Projekt der Moderne zu Vollenden. Spielte Aufklärung an auf
Hellsichtigkeit, auf Transparenz, so konnte der Erfolg des
aufklärerischen Vorhabens nur abgelesen werden an dem Mass, indem die
Gegenstände der Welt seitens der Wissenschaft beobeachtet und
vermessen, d.h. kategorisiert, eindeutig benannt werden könnten. Was
aber nicht eindeutig war, was zweideutig, was ambivalent war, alles was
sich zwischen 0 und 1 bewegte, müsste folglich rationalisiert,
wegdefiniert, beseitigt werden. Wurde die alte Metapher der Pädagoge
als Gärtner, der das positive im Kinde wachsen lässt, das Unkraut aber
vertilgt, wurde diese Metapher faktisch auf die positiven
Wissenschaften und schliesslich auch auf den modernen Staat übertragen,
die im Modernen ja beide positiv in der Gesellschaft einzugreifen
hätten, so brauchte es ja nur einen Hitler um das Zweideutige, das
Fremde in unserer Mitte, um die Schwachsinnigen, die Behinderten, die
Juden tatsächlich zu vertilgen.(43)
Obschon die Eugenik bei
Baumann
als argumentatives
Beispiel eine nicht geringe Bedeutung hat, so fehlt in seiner
erschütternde wie auch überzeugende Analyse der modernen
Machbarkeitsdeologie eine Aufarbeitung deren spezifischen Hintergründe.
Dass die SozialistInnen sich, so Baumann, wohl gerne als die ‘bessere
Aufklärer' verstanden haben, ihr Heilsversprechen in säkularer Fassung
sich daher einfach mit sozialtechnologische Phantasien, mit Eugenik
eben verknüpfen liessen, dass wussten wir ja schon. Ungeklärt bleibt
damit aber immer noch, auf welche Art genau sie, und diejenigen, die
sich im engeren Sinne um die Entfesselung der Frau , oder um
die Befreiung des Kindes gekümmert haben, gleichsam die
Notwendigkeit des Natürlichen akzeptiert und die Steuerung des
Kulturellen gefordert haben könnten, sie dabei die Interdependenz von
diesen beiden Bereichen zwar anerkannt, zugleich aber auch überwunden
zu haben meinten.
Die zitierte Aussage von
Alfred
Knapp bezüglich dem
mystisch-künstlerischen Gehalt der forelschen Ferrer-Schule gibt
zumindest einige Hinweise darauf, wie solches im Diskurs der radikalen
Reformpädagogik der Jahrhundertwende, bei ihm gleich wie bei Ellen Key,
ihren Platz haben könnte.
Mit einen stark von
Wissenschaftsglauben, oder, genauer
gesagt, von dem Forelschen bzw. Spencerschen Lamarckismus geprägten
Weltbild als Voraussetzung ist Reformpädagogik als quasi die Technik
des freien, natürlichen Wachsen eine absolute
Notwendigkeit. Gleichsam ist der durch die richtige Erziehung
freigesetzte Mensch für Knapp und Key eine Voraussetzung, wiederum, für
das Hervortreten eines höheren Typus von Menschen. Dass es diesen
'höheren', oder auch neuen Menschen geben wird, kann ja
'einfach' geschlossen werden aus der 'Natur der Dinge', als
Extrapolation aus der Evolution des Menschen bis auf jetzt. Will
Friedrich Nietzsche nachträglich aber wirklich gewürdigt werden, so
müssen diejenigen, die nicht zum freien Wachstum imstande sind, dessen
Erziehbarkeit vom Natur aus Grenzen gesetzt worden sind, so müssen die
einfach nicht weiter wachsen. Erst wenn der Kummer um die niederen
Menschen ein Ende genommen hat, und schliesslich jedes Kind freilich
wachsen kann, erst dann wird der Mensch als höherer Mensch die
Evolution vollenden können. Antizipieren können Mensch und Gesellschaft
darauf nur über Kindheit, das heisst, über das Höherwerdende (oder Höherbleibenkönnende
), unter implizitem oder explizitem Einbezug
des Höherseienden,
des Übergeordneten - also über Gott, Liebe oder Kunst. Nur über diesen
Grössen ist Kultur, ist die Befreiung aus den körperlichen Fesseln
möglich - wenn überhaupt. Und wenn nicht, so konnte und kann in und für
eine heile Welt die Liebe zum Menschen anscheinend auch die Vernichtung
von Menschen bedeuten.
VI.
Gertrud Woker -wir haben
sie
nicht vergessen- auch
Gertrud Woker hat die Liebe zur Menschheit gepflegt. Grundsätzlich. Und
dies teilsweise aufgrund derselben Überlegungen wie die Keys und die
Knapps und die andere SoziobiologInnen avant-la-lettre .
Gleichsam hat sie es auch anders gemacht, weder schlechter noch besser,
aber einfach anders.
‘ Die
Rassenhygieniker ',
so Frau Dr. Woker
am 28. September 1911 in ein Vortag für die Generallversammlung des Verbandes
Fortschrittlicher Frauen , die Rassenhygieniker haben schon
starke Argumente. Alles was bis vor kurzem gegen die Erwerbsarbeit von
Frauen hervorgehoben war, war lediglich sexistischer Blödsinn gewesen,
reine Pornokratie .(44)
Dass ausserhäusliche Arbeit des Weibes aber auf Dauer eine
rassenschädigende Wirkung haben sollte, mit dieser Einwand hatte Frau
sich doch seriös auseinanderzusetzen. Denn klar dass Frau ihr Kind
nicht stillen kann, wenn sie tagsüber in Fabriken arbeitet, klar auch
dass sie ihr Körper durch Erwerbsarbeit oft überbelastet, und somit die
physische Beschaffung ihres Nachwuches gefährdet, Dass Erwerbarbeit der
Frau unter dem herrschenden Verhältnissen rassenschädigend war, stand
ausser Frage, aber konnte Frau 1911 etwas dafür?
Biochemikerin Woker
kannte alle
sozial-politischen
Argumente rassenbiologischer Herkunft und war von ihre Gültigkeit auch
mehr oder weniger überzeugt. Daraus zog sie aber nicht die Konsequenz
dass Frau sich aufgrund solcher Überlegungen so und so und nicht so zu
verhalten hätte, was ja durchaus üblich war. Stattdessen listete sie
alle möglichen und unmöglichen Förderungen der Frauenbewegung bezüglich
sozialökonomischer Verhältnisse, Gezetzgebung und Fürsorge auf, und
präsentierte sie als Preambula für eine gemässigte, individualisierte
Reproduktionspolitik. Die Emanzipation der Frauen überhaupt, und die
Gewährleisting von Stillprämien, Kinderkrippen,
Mutterschaftsversicherungen, von hygienischen Wohnungen und eine gute
Erziehung, alles das würde doch die genetische Ängste grossenteils
überflussig machen?
Wie etwa bei Ellen Key
trat auch
bei Frau Woker Die
Liebe , die wahre, freie Liebe hervor als dea ex machina ,
als die übergeordnete Kategorie, die ihre Argumentationlinie quasi
absichern sollte:
'Die Verwahrlosung
oder
Entrechtung des
Liebesgefühls [aber] zeitigt Dekadenz und Entartung, und der
degenerierte Mensch seinerseits verliert die Fähigkeit zur sexuellen
Wahl. An diesem circulus vitiosus krankt das
Menschengeschlecht. [...] einem Bund ohne tiefinnerste
Zusammengehörigkeit kann nichts so Lebensfreudiges und Lebenskräftiges
entspringen, wie einer Verbindung aus freier, durch keine
Nebenrücksichten bestimmten Wahl.' (45)
In Anlehnung, wiederum,
an Ellen
Key ist dieses
Plädoyer für eine reine Liebe und eine wahrhafte Ehe schlicht einen
Schritt zu einer höheren Stufe, dessen Postulat weniger überraschend
als wohl aussagekräftig ist:
Das schöpferische im
Weibe,
wie im Mann bedarf der
Freiheit, der Würde, der Selbstbehauptung, wenn es das vergängliche
Selbst über dessen Grenzen hinaus tragen soll in alle Ewigkeit.(46)
Was wir schon vorher
haben
feststellen koennen passiert
auch hier: Angeblich wissenschaftliche Argumente werden in einem
nicht-wissenschaftlichen, einem wesentlich politisch-moralische
Zusammenhang aufgegriffen, teilsweise inkorporiert oder zu Nutze
gemacht, teilsweise auch, mithilfe Gott, Liebe und Kunst, überwunden
oder unschädlich gemacht. Der kleine, aber nicht unwesentliche
Unterschied zwischen Key und Woker liegt nur darin, dass Woker ‘Frau'
schon auch manchmal als Ehefrau und als Mutter, nicht aber
notwendigerweise als Frau an und für sich, als essentialistische
Kategorie definierte. Diese Schwelle zu überqueren, wie Key das gemacht
hatte und was bestimmt auch nahelag, hätte Frau Woker die Berechtigung
ihrer Existenz, ihr Job, hätte ihr, wie in essentio Key,
jede Auffassung des Menschen als freien, sich selbst behauptenden, sich
emanzipierenden Mensch abhanden genommen.
Alderik Visser
Bern, 19 April 1996.
Noten
1) .
Woker, G., Aus Meinem leben. Kinderjahre . in:
Kern, E. [HrsG], Führende
Frauen Europas in sechzehn Selbstschilderungen . München, 1928.
S. 138.
2) .
Ebenda .,
Ss. 140-1.
3) .
ebenda,
Ss. 140-9.; KONTEXT: Gertrud Woker - eine totgeschwiegene Berner
Naturwissenschaftlerin . Schweizer Radio DRS, 7.12.1994. Woker,
1917 Mitinitiantin des Haager Friedenskongresses und führendes Mitglied
der World Womens League for Peace and Freedom erlang 1925
(linke) Weltbekanntheit mit das antimilitaristische Traktat: Der
Kommende Giftgaskrieg. Nebst für den Frieden und das
Frauenwahlrecht setzte sie sich lebenslänglich fur Abstinenz und gegen
Vivisektion, wie auch -recht früh- gegen Umwelverschmutzung ein.
4) .
ebenda, S.
150.
5).
ebenda, S.
151.
6).
Dazu o.a.
Gerhard, U., Unverhört. Die Geschichte der deutschen
Frauenbewegung. Reinbek bei Hamburg , 1995 [org. 1990]., v.a. Ss.
216-64.
7).
Ihr wuerde
eine Professur in Biochemie versprochen, damit sie ueberhaupt die erste
Professorin im deutschsprachigen Raum geworden waere...
8).
Aufruf!
( vertraulich .) [typoskript + druck.] Knapp. A an Brupbacher,
F. (?1908). Archiv Brupbacher im Internationalen Institut für Sozi
algeschichte (IISG), Amsterdam. Die Deutsche Gesellschaft für
Ethische Kultur (DGEK) war 1892 von Georg von Gizycki und
Wilhelm Foerster im Nachfolge der USamerikanischen Ethical Society
(1876) gegründet worden, zur Verbreitung
einer säkularen
Moral(erziehung). Forel war 1899 Gründer dessen welschschweizer
Pendant, [la] Ligue pour l' Action Morale, section de la Suisse
Romande . Für den Monisten, siehe weiter, S. 4.
9).
(1848-1932)
Weltberühmt als Ameisenforscher, Psychiater und Hypnotiseur, zog der
Welschschweizer sich 1908 zurück, um sein weiteres Leben dem Kampf
gegen den Alkoholkonsum zu widmen. Anarchist und Sexualreformer
Brupbacher, ein ehemaliger Schüler: ‘ Es steckte gar vieles in
ihm. Vor allem ein gar strenger Moralist. Ein Weltschulmeister. Er
wollte der Menschheit gesunde, produktive und altruistische Hirne
schaffen. Deshalb bekämpfte er mit einer solchen Vehemenz den Alkohol
und die Geschlechtskrankheiten. Deshalb führte er den Kampf gegen
Wirts- und Hurenhäuser. Das Hirn war seine Liebe .' Brupbacher,
F., 60 Jahre Ketze r, Zürich, 1935.
10). Obschon
der Orden ein wohl sehr eigenartiges Spezies dessen betrachtet werden
kann: freimaurerisch (oder besser: co-maurerisch, für Frauen und
Männer) inklusive Einweihungsriten und sonstige Parafernalia; Radikal
anti-klerikal, offensichtlich aber als Ersatz-Kirche funktionierend
(Sonntagsversammlungen, Hochzeits- und Beerdigungsreden, usw.);
Explizit sozialreformerisch, d.h. (utopisch-)sozialistisch und
rassenhygienisch, abstinent, antimilitaristisch und
esperantistisch.v.a.: Forel A., Kulturceladoj de la
nuntempo/Kulturbestrebungen der Gegenwart . 1911.
11). [] Je
suis très interessé de parler avec vous du IOEC, qui pour moi est
encore une nebulose !?! Toutes a vous , Key, E. an Forel, A.,
23.01.1909. Archives Auguste Forel, Lausanne.
12). Zum
Fest unseres geliebten Meisters , (Forel) 1 sept. 1848-1 sept.
1918 (' Du gabst die TAT! '), Unterschriften und
stellvertretende Grüssen, ebenda; Zu der gleichen Gelegenheit geben
auch die Mitglieder des Schweizerischen Monistenbundes, Ortsgruppe
Bern Forel ihren glückwünschen. z.T. sind dies die gleiche
Leute: Otto Volkart, Theodor Tobler(der Fabrikant), die damen Faas und
Woker, etc. Zu den genannten holländischen Schulreformer
(tolstoyanischer bzw. theosophischer Prägung) siehe Visser, A., Zedelikheid
en Zelfwerkzaamheid. (Christen-) anarchisten, Theosofen en de
^beweging' voor Humanitair Onderwijs . 1903-1931. Utrecht, 1994.
13). Aufruf!
[1]. Bernerin Margarethe Faas(-Hardegger) war 1905-1909 die erste Frau
innerhalb der SGB. Wegen ihrem neumalthusianischen Engagement und
sonstigen Extremismen wurde sie gezwungen auszutreten. Ab 1909 begab
sie sich v.a. in (religiös-anarchistische) Kreisen um Gustav Landauer.
Studer, M., l'Organisation syndicale et les femmes: l'action de
margarethe Faas-Hardegger a l'union syndicale Suisse <1905-1909>
Geneve, 1975; 'die beste Sensation ist das Ewige...' Gustav
Landauer - Leben, Werk und Wirkung , Düsseldorf, 1995. S.
187-203; Für Stöcker, siehe u.a. Gerhard (1995), Ss. 265-75. und
Dräbing, R., Der Traum vom "Jahrhundert des Kindes". Geistige
Grundlagen, soziale Implikationen und Reformpädagogische Relevanz der
Erziehungslehre Ellen Keys. , Ffm. etc., 1990. Ss. 168-202; Die
französin Roussel war ebenfalls Neumalthusianerin. siehe: Teilnehmerliste
des zweiten neumalthusianischen Kongress zu Haag (NL) (juli 1906) .
Die Trägerschaft der IOEC war fast die gleiche, wie die der von
Stöckers gegründeten (Deutsche) Bund für Mutterschutz und
Sexualreform (1905-1933). zB Ellen Key war Mitglied beider
Vereine.
14). Freilich
gab Freud sein Namen nur in erster Instanz, zwecks Werbung. Einweihen
liess er sich schliesslich nicht. Von Lombroso ist es unbekannt, Mach,
Havelock Ellis und Haeckel waren bestimmt Mitglied.
15). o.a.
Degler, C.N., In Search of Human Nature. The decline and revival
of Darwinism in American Social Thought . New York, Oxford, 1991.
Pp. 32-55. Hegeman, J.G., Darwin en onze Voorouders. Nederlandse
reacties op de Evolutieleer, 1860-1875: een terreinverkenning .
in: BMGN LXXV (1970) 3, pp. 261-314.
16). v.a.
Engels, E.-M., Biologische Ideen von Evolution im 19. Jahrhundert
und ihre Leitfunktionen . in: Engels, E.-M. [Hrsg], Die
Rezeption von Evolutionstheorien im 19. Jahrhundert . Ffm., 1995.
auch: Duvernay-Bolens, J., l'Homme Zoologique. Races et racisme
chez les naturalistes de la première moitié du XIXe siècle . in:
l'Homme. Revue française d'anthropologie 133, jan. 1995.
17). v.a.
Bowler, P.J., Herbert Spencers Idee der Evolution und ihre
Rezeption . und: Sandmann, J., Ernst Haeckels
Entwicklungslehre als Teil seiner biologistischen Weltanschauung .
beide in: Engels (1995)
18). o.a Rooy,
P. de, Op zoek naar Volmaaktheid. H.M. Bernelot-Moens en het
Mysterie van Afkomst en Toekomst . Houten, 1991; zur
sozialistischen Intelligentsia: Ders., Darwin en de Strijd langs
Vaste Lijnen . Nijmegen, 1989. Für eine geniale Literarische
Darstellung: Multatuli (Eduard Douwes Dekker), Woutertje Pieterse .
Amsterdam, 1995 (orig. 1862-1874), Ss. 40-51.
19). Bezüglich
'Das Kind' als quasi-religiöse Hiflskonstruktion in diesem Zusammenhang
sehr überzeugend dargelegt von Weisser, J., Das Heilige Kind. Über
einige Beziehungen zwischen Religionskritik, materialistischer
Wissenschaft und Reformpädagogik im 19. und zu Beginn des 20.
Jahrhunderts . Würzburg, 1995.; Eine grobe
wissenschafsgeschichtliche Darstellung die etwa das Gleiche belegt im
Biographie des berühmt-berügtigten holländischen Neuhegelianer H.G.J.P.
Bolland, Otterspeer, W., Bolland. Een Biografie . Amsterdam,
1996.
20). Sandmann,
J. in: Engels, E.-M (Hrsg.), 1995; Eine sehr präzise Darstellung auch,
des Haeckelschen Monismus als eine Art von Pantheismus in: Frick,
K.R.H. Die Erleuchteten. Gnostisch-theosophische und
alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des
18. Jh.- ein Beitrag zur Geist esgeschichte der Neuzeit . Graz,
1973 Ss. 112-133.
21). Was in
verschiedensten Geschichtsschreibungen der Pädagogik belegt worden ist.
Zu Haeckel überdies o.a. Gould, S.J., Der falsch vermessene Mensch
. 1991 (1988) Ss. 118-122.
22). o.a.
Ullrich, H., Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung. Einde
bildungsphilosophisceh und geistesgeschichtliche Auseinandersetsung mit
de Anthropologie Rudolf Steiners. Weinheim/München, 1986, Ss
134-40.
23). Gasman,
D., The Scientific Origins of National Socialism. Ernst Haeckel
and the German Monist League . London, 1971.
24). zitiert
ebenda S. 98.
25). o.a
Degler (1991).
26). Es wurde
aber noch lange damit gearbeitet, v.a. auch weil es im Denken Herbert
Spencers verankert war. Forel und Key gehen beide noch von der
gültigkeit der Lamarckismus aus.
27). Knapp an
Forel, 05.01.1910. Archives Auguste Forel, Lausanne.
28). in: Freidenker.
Organ der Freidenker der deutschen Schweiz . III. 7 (1 juli
1910).
29). So
sehr dieser Grundsatz an den gleichen Schwächen leidet wie Kants
berühmte Forderung: "Handle so, dass du jederzeit wollen kannst, die
Maxime dieses handelns solle zum allgemeinen Gesetz der Menschheit
werden", so sehr ist es erfreulich, dass in der Praxis des
Moralunterrichtes das Prinzip der Selbstverantwortlichkeit zugrunde
gelegt wird . ebenda. Knapp ist aus der Uebersetzer: J.J. Kaspar,
Die Affaire Ferrer. Der Justizmord auf Grund
der von der spanischen
Regierung veroeffentlichten Akten dargestellt. Vorwort von G.
Séailles und einem Vorwort zur deutschen Uebersetzung.. Uebersetzt. von
A. Knapp. Frankfurt a/M 1910. Aus: Collection de la Grande Revue ,
Separatdruck La Grande Revue , XIII, 23, pp. 537-571.
30). zB.
Baumann, H., U. Klemm, Wider die Staatspädagogik. Die 'Escuela
Moderna' von Francisco Ferrer . in: Klemm, U. (Hrsg.) Anarchismus
und Pädagogik. Studien zur Rekonstruktion einer vergessenen Tradition .
Ffm. 1991.
31). Visser,
A. (1994).
32). l'École
Rénovée. Revue d'élaboration d'un plan d'éducation moderne. Extension
Internationale de l'école moderne de Barcelone . I, 1, Bruxelles,
1908. Ferdinand Domela Nieuwenhuis (1846-1919), charismatische Führer
der holländischen Arbeiterbewegung, begann sich spätlebens Gedanken zu
machen über 'libertaire Erziehung'. Mit der Vorlesung über 'l'Education
libertaire' (Paris, 1899) wurde er zu eine Autorität in diesem Bereich,
obschon (oder vielleicht weil) er nicht nur Goethe, Rousseau und Ellen
Key, auch aber Ernst Haeckel adorierte. Visser, A. (1994).
33). Gustav
Landauer beklagte sich darüber, dass sie ihm gefragt hatten, im Verein
Deutschland in zu vertreten, sich aber schliesslich für der betagte und
daher indolente Haeckel entschieden haben. in: Der Sozialist.
Herausgegeben von revolutionären Kreisen der Schweiz. Organ des
Sozialistischen Bundes. II. 11 (Bern, november 1909). Prinz Pjotr
Alexejvic Kropotkin war schon ein führender russischer Naturforscher,
bevor er anarchist wurde. Was er zwischen 1862 und 1867 als Ansatz zu
einer wissenschaftlichen Theorie entwickelte, war 1890, als er es zu
publizieren anfing, zugleich eine politische Theorie geworden.
Kropotkin, P., Mutual Aid, A Factor of Evolution . Montreal,
1994 (1890-1896; 1902). Dazu:Todes, D.P., Darwins malthusische
Metapher und russische Evolutionsvorstellungen . in: Engels,
E.-M. (1995).
34).
(1870-1925) Sohn eines holländischen anarchisten in schweizerischem
Exil, Mathematiklehrer zu Lausanne, Publizist, Literator,
Schulkritiker. zT. noch sehr lesbare Werke: l'École et
l'Apprentissage de la Docilité in: L'Humanité Nouvelle II,
2 + 3 (juli, september 1898); Le Pedagogue n'aime pas les Enfants .
Lausanne, 1917 (Deutsche übers.: Der Lehrer hat kein Gefühl für
das Kind , Zürich, 1920). Zu Roorda: Fidler, G., Henri
Roorda van Eysinga and the pedagogy of éducation libertaire . in:
Paedagogica Historica XII, 1 (1991).
35). Zu Sergi:
Hofer, Ch., Maria Montessori's 'Antropologia Pedagogica"- oder:
die Erziehung als hygiene der Menschheit . etc. Bern, 1994. Ss.
88-97.
36). Robin,
Anarchist und Positivist alten Stils, war 1880-1894 Leiter des stark
den Ideen Fouriers verpflichteten Waisenhaus zu Cempuis, Frankreich (wo
die Kinder übrigens schon jede Woche vollständig vermessen würden).
Nach der Schliessung der Anstalt wurde er Professor für Pädagogik zu
Brüssel, führte die Propaganda für sein Konzept der 'Éducation
Intégrale' zwar fort, wurde 1900 aber vor allem ein leidenschaftlicher
Befürworter der Eugenik. Zu Robin: Grunder, H.-U., Theorie und
Praxis anarchistischer Erziehung , Grosshochstetten, 1993
(Grafenau, 1988); Visser, A. (1994)
37). Zu
Amsterdam siehe Visser, A. (1994); Zu Zürich fehlen Angaben. Hinweise
dazu (und nicht zufälligerweise in einem Vortrag einer der führende
Mitglieder der I.O.E.K.) in: Volkart, O., Sozialistische
Jugenderziehung. Ein Vortrag . Olten, 1918.
38). [anonym] l'École
Ferrer de Lausanne , Lausanne, 1919; Grunder, H.-U. (1993)
39). Visser,
A. (1995)
40). Wie etwa
Jean Wintsch, Gründer der Ferrer-Schule zu Lausanne, der
Anarcho-Syndikalist aber auch Artzt war, Kinderarzt und -psychologe
wurde, und Mitarbeiter des Instituts Jean-Jacques Rousseau zu Genf.
41). Bevor er
Anhänger des Baha'i-Glaubens wurde (1923) , pflegte Forel eine Utopie,
der sich stützte auf das soziale Leben seiner kleine Freunde, die
Ameisen. Die ganze Moral die er verkündete ist zurückzuführen auf
diesen idealisierten 'Ameisenstaat' (dessen Konzept übrigens auch in
schweizer Kinder- und Schulbücher verbreitet worden ist. siehe u.a.: Aus
Frischem Quell, Lehr- und Lesebuch für die obern Klassen der Primar-
und Mittelschule . Bern, 1908).
42). Keller,
Ch. Der Schädelvermesser. Otto Schlaginhaufen - Anthropologe ud
Rassenhygieniker. Eine biographische Reportage . S. 89.
43). Baumann,
Z., Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit .
Ffm, 1995 (Engl. original 1991) v.a. Ss. 35-63.
44). Woker,
G., Erwerbsarbeit der Frau und Rassenentwicklung . Berlin,
1911 (Verlag für Fortbildung) S. 7 Die Terminoligie betrifft das
männliche Superioritätsdenken im allgemeinen, der politische Theorien
Proudhons im spezifischen Sinne.
45). ebenda,
S. 5; 9.
46). ebenda,
S. 9
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